Pet Shop Boys: Die Geometrie des Pop

Schon bei den ersten Tönen stehen alle auf. Ein Konzert der Pet Shop Boys ist nun einmal keines, das man im Sitzen genießen kann, auch wenn es nun mehr als 30 Jahre her ist, dass die Musik des britischen Elektropop-Duos in den Discos rauf und runter gespielt wurde. Egal: Die Zeiten haben sich gewandelt, die Pet Shop Boys nicht, wie sie nun bei ihrem einzigen Deutschland-Konzert in der Kölner Lanxess-Arena unter Beweis stellen. Ja, Neil Tennant und Chris Lowe sind etwas in die Jahre gekommen, doch fällt das angesichts minimalistischer Bewegungen kaum auf  – letzterer hält sich wie schon in den 80er und 90er Jahren ohnehin lieber mit stoischer Miene im Hintergrund, und ersterer steht am liebsten in seinen Gold- und Silberfolienkostümen mit weit ausgebreiteten Armen in der Mitte der Bühne, so als wolle er die Energie des Publikums aufsaugen, um damit die ebenso nüchterne wie effektvolle Lichtshow zu versorgen.

Die wirkt optisch ebenfalls ein bisschen anachronistisch, aber keineswegs altbacken: Immer wieder flirren geometrische Figuren über Digitalscreens, die manchmal an uralte Windows-Bildschirmschoner erinnern und dann wieder an die Matrix, reduziert auf die Minimal-Ästhetik früher Computer und doch irgendwie zeitlos.

Dieses Attribut gilt letztlich für das gesamte Konzert. Zeitlos. So lassen sich Hits wie das fantastische „West End Girls“ oder auch „It’s A Sin“ beschreiben, ebenso wie das leicht melancholische „Suburbia“, mit dem die Pet Shop Boys das Konzert eröffnen und die Boxen der Arena ausreizen. Akustisch keine so gute Idee, vermengen sich die wummernden Bässe und die Synthi-Sounds so doch zu einem übersteuerten Klangteppich, der sich erst langsam auf einem annehmbaren Niveau einpendelt. Für die rund 10.000 Fans ist das jedoch zweitrangig, sind doch Hymnen wie diese so sehr im Gedächtnis verankert, dass der Soundtrack des Kopfkinos ausreicht, um Glücksgefühle auszulösen, während Tennant und Lowe mit ihren futuristischen Kopfbedeckungen, die an den Elektrolurch der Krautrockband Guru Guru erinnern, in musikalischen Erinnerungen schwelgen. Immerhin handelt es sich um eine Greatest-Hits-Tour, auch wenn der Titel des neuesten Albums „Dreamland“ (2020) für selbige Pate steht – von dieser Platte spielen die Pet Shop Boys letztlich nur zwei Songs, und abgesehen von diesen sowie einer Nummer aus „Electric“ (2013) wird alles seit 2000 kurzerhand ignoriert. Stattdessen erklingen eben die bereits genannten Klassiker und weitere, bei denen zumindest die Melodien längst im Ohr sind: „Left To My Own Devices“ etwa oder der Sommerhit „Se A Vida É“. Natürlich dürfen auch die legendären Cover-Versionen „You Were Always On My Mind“ und „Go West“ nicht fehlen.

Rund zwei Stunden dauert die Riesen-Retro-Show der Pet Shop Boys, dieser beeindruckende Reigen an einfachen, aber unglaublich eingängigen und brillant gesetzten Songs. Vielleicht ist es gerade diese Schlichtheit, die die Lieder vor dem Zahn der Zeit bewahren und ihnen trotzdem eine Patina der Nostalgie verleiht. Und wer weiß, vielleicht kommen Neil Tennant und Chris Lowe ja in naher Zukunft noch einmal nach Köln. Mit Disco-Hymnen und Glitzerkostümen, mit feinen Melodien und einem Hauch von Melancholie. Das, so hat sich nun gezeigt, geht nun einmal immer.

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