Santiano: Im Meer des Pathos

Kernige, raue Stimmen singen Seemannslieder, beschwören die raue Romantik des Meeres und setzen die Freiheit über alles andere: Mit diesem Konzept ist die Shanty-Rock-Band Santiano vor einigen Jahren überaus erfolgreich gewesen. Vier Echo Pop als beste Band in der Kategorie „Volkstümliche Musik“, 14 Mal Platin und eine Einladung zum Wacken Open Air haben die windgegerbten Teerjacken aus dem hohen Norden in den vergangenen elf Jahren gesammelt, trotz oder vielleicht auch gerade wegen ihres triefenden Pathos und dem ständigen Spiel mit den Klischees. Jetzt hat die Band die KunstRasen-Saison 2023 eröffnet – und lässt von der ersten Sekunde an alle Segel setzen.

Allzu voll ist es leider nicht. Nur 3000 statt der erhofften 10.000 Fans haben den Weg in die Gronau gefunden, die an diesem Abend doch so viel zu bieten hat: Perfektes Wetter zum Beispiel und Musik aus dem Spannungsfeld zwischen Achim Reichel, Schandmaul und den Wilhelmsburger Tampentrekkern, gespickt mit den üblichen Floskeln. Santiano sind natürlich „Frei wie der Wind“, singen vom „Salz auf unserer Haut“, träumen von den „Mädchen von Haithabu“ und vertrauen darauf, dass Gott selbst ein Seemann sein muss. Warum auch immer. Freiheit ist dabei das höchste Gut, ein Begriff, der an diesem Abend häufiger auftaucht als bei Marius Müller-Westernhagen, nicht zuletzt bei der ersten Single-Auskopplung des noch unveröffentlichten Albums „Doggerland“ („Es klingt nach Freiheit“). Die ständigen Wiederholungen machen letztlich viele Lieder vorhersagbar und austauschbar, zumal auch die Kompositionen in der Regel generisch sind und keine große Varianz erlauben. Immerhin gelingt es Santiano aber immer wieder, für Überraschungen zu sorgen – zumindest bei jenen, die nicht schon sämtliche Lieder der Band auswendig zu kennen. Das epische „Wenn die Kälte kommt“ ist so wuchtig und düster, dass es auch von Subway to Sally hätte stammen können, „Weh mir“ ist sowohl textlich als auch musikalisch eindringlich, und „Land of Green“ (wie alle englischen Songs von Geiger Pete Sage mit kerniger Stimme gesungen) erweist sich als waschechter Irish-Folk-Song mit viel Schwung und Kraft. Natürlich geht das Ganze mit Feuerfontänen und Schaumkanonen einher, mit großem Bombast und idealisierender Seeräuberromantik. Die Musik schallt dagegen geradezu zahm aus den Boxen und könnte durchaus noch ein bisschen mehr Nachdruck vertragen.

Trotz der Zurückhaltung in Sachen Lautstärke ist das Publikum restlos begeistert. Ausgelassen feiert es jedes Seemannslied und erklatscht sich am Ende noch fünf Zugaben, so dass das Konzert immerhin die Zweistunden-Grenze überschreitet. Insofern hätte der Abend abgesehen von der geringen Besucherzahl für Veranstalter Ernst-Ludwig Hartz hätte der Auftakt zu seinen Open-Air-Konzerten kaum besser laufen können. Die Stimmung ist hervorragend, das Wetter auch, Band und Fans gleichermaßen enthusiastisch – was will man mehr?

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Kommentare: 1
  • #1

    Heike Bock (Mittwoch, 20 September 2023 22:21)

    Ich war am 16.09 zum Konzert von Santiano auf Rügen. Die Musik dieser Gruppe ist wirklich super. Aber das es zum politischen Statement kommt ist nicht in Ordnung. Erst recht wenn dieses Statement in nur einer Richtung geht. Egal welche Partei die Zuhörer angehören wir zahlen das gleiche Geld. Ich will mich entspannen. Ich fand es schon frech das damals gegen die Ungeimpften geschimpft. Santiano spricht von Freiheit und meint nur ihre Meinung. Das gehört einfach in kein Konzert. Sollte es nächstes Jahr wieder geschehen werde ich nie mehr hingehen. Ich bezahle für ein Konzert aber nicht für eine politische Verantstaltung