Thomas Freitag: Brandbrief von den Ameisen

Der Mensch als Krone der Schöpfung? Ist diese Vorstellung einem unglaublich überheblichen Egozentrismus geschuldet – oder einfach einer extrem pessimistischen Weltsicht? Thomas Freitag ist sich nicht ganz sicher. Immerhin, vielleicht lässt sich die Welt noch retten, irgendwie, irgendwo, irgendwann. Doch für den Menschen, da sieht der Altmeister der Satire, der jetzt im Haus der Springmaus sein aktuelles Programm „Hinter uns die Zukunft“ vorstellt, leider ziemlich schwarz. „Die meisten seiner Erfindungen hat der Mensch wegen seiner Faulheit gemacht“, sagt er. „Oder wegen seiner Grausamkeit.“ Am besten wegen beidem. Wenn das Töten so bequem wird, dass es nur noch einen Knopfdruck auf dem Computermonitor ausmacht, wenn Leid sich nur noch in Zahlen und Statistiken ausdrückt und der Krieg zu einem Spiel, ziehen nun einmal dunkle Wolken auf. Und leider gibt es weder für die Welt noch für den Menschen einen Reset-Knopf. Ach, hätte man doch nur vorher mal die Gebrauchsanweisung gelesen...

Nein, sonderlich aufbauend ist Thomas Freitag an diesem Abend nicht. Aber auch nicht ganz so deprimierend, wie er auf den ersten Blick scheint. Immerhin hat der Kabarettist auch durchaus Unterhaltsames zu berichten, vor allem aus der eigenen Jugend. Anlässlich seines 70. Geburtstags hatte der gebürtige Alsfelder sich nämlich 2020 eine Autobiographie geschenkt, gespickt mit Anekdoten über die ersten Bühnenerfahrungen als Opernparodist, die dem damals 15-Jährigen sogar bei einem Gala-Abend 30 Mark, eine Falsche Cognac und eine Fahrt mit einem schwarzen Mercedes einbrachten; über Vorsprechen bei Dieter Hallerforden und Peter Stein und dem Renitenztheater-Gründer Gerhard Woyda; und über allerlei Irrungen und Wirrungen des Schauspieler-Alltags. In diesen Momenten kann das Publikum im ausverkauften Haus stets aufatmen und Luft holen, bevor sich der Wind wieder dreht und Freitag erneut zum Untergangspropheten wird, der mit harten Fakten der Heuchelei des Westens begegnet und im Revers auch noch einen Brief der Ameisen stecken hat, in dem die staatstragenden Insekten hart mit der Menschheit zu Gericht gehen.

Zugegeben, bei den Krabbeltierchen sieht auch nicht alles rosig aus, erst recht nicht für die Männchen, denen nach dem Sex ja kurzerhand der Kopf abgebissen wird, um die Zigarette danach nicht ertragen zu müssen; aber dafür sind die langfristigen Perspektiven deutlich besser, nicht zuletzt weil alle Ameisen eines Staates auch an einem Strang ziehen, statt sich in Verschwörungstheorien zu ergehen. Die wiederum hat Freitag in ein doch recht ungewöhnliches Lied umgewandelt, bei dem seine sonore Stimme bestens zur Geltung kommt, während seine Fabulierkunst in nahezu Malmsheimerschem Ausmaß vor allem bei einem Auszug aus seinem früheren Programm „Der kaltwütige Herr Schüttlöffel“ zum Tragen kommt, in dem ein deutscher Verlag versucht, Schillers „Die Räuber“ für den aktuellen Markt aufzubereiten. Klasse.

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