Erja Lyytinen: Starker Rock im Tageslicht

Die Pandemie ist an keinem Künstler spurlos vorüber gegangen. Manche haben der Musik schweren Herzens abgeschworen und sich andere Beschäftigungen gesucht, andere haben den Weg ins Netz gesucht, und einige haben darauf gewartet, wieder auftreten zu dürfen, und haben die Auszeit dazu genutzt, sich selbst zu erkunden. So wie Erja Lyytinen. Die Finnin mit der dunklen Power-Stimme, die so ganz nebenbei zu den besten Bottleneck-Gitarristinnen der Welt gezählt wird, ist ganz tief in ihre Musiker-Seele abgetaucht und hat dabei hinter dem von ihr geliebten Blues noch mehr in den Schatten entdeckt: Starken Rock mit Spuren von frühem Metal im Stil von Black Sabath, Deep Purple und Iron Maiden. Jetzt hat Erja Lyytinen ihr brandneues Album „Waiting for the Daylight“ in der Harmonie vorgestellt. Und abgerockt.

Eigentlich passt Erka Lyytinens Musik mit ihrer düsteren Metal-Note ja eher in die Nacht als in den Tag, verlangt mehr nach Mond- denn Sonnenschein. Andererseits steht „Waiting for the Daylight“ wie so viele andere Songs aus den vergangenen zwei Jahren auch für das Bedürfnis, endlich wieder auf Tour sein zu dürfen. Die hat Lyytinen jetzt hinter sich: Das Konzert in der Harmonie war zum Bedauern ihrer Fans das letzte für dieses Jahr, zumindest in Deutschland, und so wirkte die 46-Jährige zuerst auch ein bisschen erschöpft, musste sich erst warm spielen – und trieb die Temperatur dann um so weiter nach oben. Vor allem die zweite Konzerthälfte erwies sich als Feuerwerk des Rock, mit extrem starken Soli der Slide-Virtuosin sowohl bei älteren als auch bei neueren Stücken. Auch der Blues, der zu Anfang durch Abwesenheit glänzte, feierte eine umjubelte Rückkehr zu Lyytinen, die genüsslich ZZ Top, AC/DC und Edith Piaf zitierte und mit dieser ungewöhnlichen Mischung voll ins Schwarze traf. Bei „Last Girl“ trafen derweil Iron Maiden auf Joe Satriani, während sich Lyytinen beim Titelsong eher an Tony Iommi orientierte. Und doch blieb die Finnin immer als sie selbst erkennbar, weil sie adaptierte statt zu kopieren, aber auch weil sie einfach eine Wahnsinnsstimme hat, deren dunkles Timbre im Laufe der vergangenen Jahre immer weiter gewachsen ist und zahlreiche Facetten hinzugewonnen hat. Getragen von einer nicht minder spielfreudigen Band mit Mika Aukio am Keyboard, Iiro Laitinen am Schlagzeug und Tatu Back am Bass konnte Erja Lyytinen so einmal mehr begeistern. Beim nächsten Mal dann hoffentlich auch vor mehr Publikum.

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