Gerd Dudenhöffer: Heinz Beckers dunkelste Stunde

Fahl sieht er aus, der Heinz Becker. Ein Häufchen Elend im schwarzen Anzug, der da am heimischen Küchentisch sitzt und trauert. Gerade erst ist er heimgekommen, allein in seiner dunkelsten Stunde, hat Abschied nehmen müssen von seiner Hilde, die ganz unerwartet das Zeitliche gesegnet hat. Ein Schock, der selbst einem Nörgler und Besserwisser wie dem Becker-Heinz zu schaffen macht. Immerhin ist jetzt alles anders. Die Zuversicht, dass da jemand ist, der kocht und wäscht und Ordnung hält, ist einer verzweifelnden Hilflosigkeit gewichen, und erst so langsam dämmert es Heinz, was er an seiner Frau hatte. Und was ihm nun fehlt.

„Dod. Das Leben ist das Ende“ ist das inzwischen 18. Programm von Gerd Dudenhöffer mit Kunstfigur Heinz Becker, jenem rheinfränkisch schwätzenden Paradebeispiel des kleingeistig-bornierten Spießbürgers, der von nichts eine Ahnung hat, aber zu allem eine Meinung. Seit 37 Jahren lässt der versierte Kabarettist sein Alter Ego in typischem Stammtisch-Stil über Gott und die Welt reden, dem Volk aufs Maul schauend und alle Entwicklungen bissig kommentierend. Doch so wie jetzt im Pantheon hat man den Heinz noch nie gesehen. Kleinlaut ist er, gebrochen, entmutigt, ein seelisches Wrack, das gerade dadurch mehr Konturen gewinnt als jemals zuvor. Gelacht hat das Publikum schon immer mit ihm und über ihn, jetzt aber verspürt es erstmals Mitleid, möchte diesen armen alten Mann trösten, dem mitunter die Stimme versagt, weil die Emotionen mal wieder die Oberhand gewinnen, möchte ihn in den Arm nehmen und ihm jenen Halt geben, den er offenbar braucht, auch wenn er selbst das nie zugeben würde. „Ich will doch nur mei Ruh“, grantelt Heinz. Und die Hilde. Wie soll er sonst weiterleben können? Immerhin muss irgendjemand ja die Waschmaschine bedienen können. Und das wird wohl kaum der Heinz sein.

Diese antiquierten Rollenbilder hat die Familie Becker schon immer gepflegt, ebenso wie pointierte Betrachtungen des Alltags. Doch noch nie war die Atmosphäre dabei so bedrückend und zugleich so fassbar. Das brillante Spiel Dudenhöffers, der mit diesem Programm eine Meisterleistung abliefert, verleiht Heinz Becker in seiner Verletzlichkeit eine bislang unerreichte Tiefe. Und so spürt man, dass diesen mehr bewegt als nur der Haushalt, dass all diese Sprüche, die er in der Vergangenheit in Richtung Hilde abgelassen hat, nur eine Entschuldigung waren, um seiner Zuneigung zu seiner Frau nicht Ausdruck geben zu müssen. Doch jetzt ist sie weg. Für immer. Heinz ist allein und muss darüber hinaus auch noch alles allein machen, was ja die eigentliche Tragödie ist, zumal ihm Sohn Stefan nicht zur Seite stehen kann oder will. Also hadert er, mit sich und mit seinem Glauben. „Warum wird man schon wieder geprüft?“, klagt er in Richtung Himmel. Auf eine Antwort wartet er vergebens.

Dabei ist „Dod“ bei aller Melancholie immer noch ein typisches Heinz-Becker-Programm, bei dem dieser sich alles von der Leber redet, was ihm so über selbige gelaufen ist. Gut, der Humor ist schwärzer als üblich, und wenn der Senior mit seiner Batschkapp über die Zustände im Pflegeheim spricht, über Organspenden oder die Frage, ob man Hausfrau Hilde jetzt über die Hausratversicherung abwickeln muss, bleibt so manchem im Publikum das Lachen im Halse stecken. Doch gerade das zeichnet den Abend aus: Er amüsiert und bewegt zugleich, macht nachdenklich und mitfühlend, ist gesellschaftskritisch und zugleich herrlich absurd. Er bietet kurzum Tragikomik in Perfektion. Besser kann man sich auf einer Kabarettbühne einfach nicht mit dem Tod auseinandersetzen.

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