"Bonner Republik": Totgesagt und dennoch liebenswert

Vorurteile über Bonn gibt es mehr als genug. Auf einem Friedhof ist mehr los, betonen viele Nörgler gerne, da feiern wenigstens noch die Grufties; kein Wunder bei einer Stadt, die kurz vor dem Infarkt zu stehen scheint, mit Dauerstau auf Reuterstraße und B9, kollabierenden Schwimmbädern und Schulen sowie einer darbenden Kulturszene. Kurzum, Bonn stirbt. Behaupten zumindest jene, die sich wahlweise im Internet oder aber auf Kneipenklo-Türen auskotzen. Ihnen haben nun vier Poetry-Slammer Kontra gegeben: Im Kulturbistro Pauke haben sie am vergangenen Donnerstag die neue Veranstaltungsreihe „Bonner Republik“ eröffnet, die sich auf Wohl und Weh der Bundesstadt fokussieren soll. Eine Herausforderung für die Literaten und Songschreiber. Aber eine, die durchaus Vielversprechendes ergab.

Natürlich stellt sich die Frage, ob man sich überhaupt über das Bild der „sterbenden Stadt“ auslassen sollte und ihm dadurch nur weiteren Auftrieb verleiht. Diesen Ansatz verfolgte Nils Frenzel in seinem Beitrag weiter und präsentierte einen Meta-Text, der sich nicht dem Problem an sich widmete, sondern vielmehr dem Betrachtungswinkel und dem dahinter lauernden ungesunden Pessimismus. Die mitunter sehr philosophischen Argumente litten allerdings unter zu großer Hektik im Vortrag sowie einer gegen Ende einsetzenden Fahrigkeit. Dabei hatte jeder der Slammer eine Viertelstunde zur Verfügung, eine ungewöhnlich große Zeitspanne für ein derartiges Format. Insofern wäre etwas mehr Ruhe angebracht gewesen. Die hatte Ella Anschein dagegen schon. Die 21-Jährige ist trotz ihres jungen Alters eine Poetry-Slam-Veteranin mit mehr als 500 Auftritten und erwies sich in der Pauke als erstaunlich sicher im Stil, wenn auch mitunter etwas zu detailverliebt, während sie dem Restaurant „Petit Poisson“ nachtrauerte. „Wir können lediglich als leise Chronisten bewahren, was war“, betonte sie ihre Rolle als Literatin. „Und wer will, erinnert sich.“

Wer wollte, konnte sich aber auch aufregen. Oder beides tun. So wie der konsequent reimende Julius Esser, der einem Schmähgedicht vom Lokus eine Elegie auf den verstorbenen „Alle-mal-malen-Mann“ Jan Loh gegenüberstellte und dafür vom Publikum derart gefeiert wurde, dass er am Ende den Poetry-Slam in der Pauke für sich entschied. Simon Slomma, der kurzerhand seinen Freund und Kollegen Ingo auf die Bühne holte und mit Liedern über einen Ostfriesennerz und Remagen ein wenig am Thema vorbeisang, blieb dagegen chancenlos. Für weitere musikalische Intermezzi sorgte derweil die Kölner Singer-Songwriterin Lucie Licht, während Moderator Axel „Der Käptn“ Horst mit eigenen Eindrücken über das kafkaeske Stadthaus, den Post-Tower und den "Sutti" (den Bertha-von-Suttner-Platz) zu punkten verstand.

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