Jane Lee Hooker + Josh Hoyer: Zwischen Sein und Schein

Manchmal zählt auch der zweite Eindruck. Der, der sich erst nach ein paar Minuten bildet, nachdem die Faszination des Neuen abgeklungen ist und man einen Blick hinter die Maske werfen kann. Manchmal ändert das alles. So wie am vergangenen Donnerstag. Das Urteil über den zweiten Abend des aktuellen WDR-Crossroads-Festivals in der Harmonie schien schnell gefällt: Hier ein bärtiger Zausel mit verhaltenem Soul-Pop und einigen unscheinbaren Kollegen, dort fünf charmante Damen mit krachendem Rock und jeder Menge Enthusiasmus. Klar, wer da eher zu überzeugen wusste. Zumindest optisch. Doch nach jeweils einer Viertelstunde wurde so langsam klar, dass das nicht ausreichte. Der erste Eindruck täuschte. Und der zweite gewann.

Möglicherweise lag es auch an den hohen Erwartungen an Josh Hoyer, dass dieser zunächst ein wenig Zeit brauchte, um auf Betriebstemperatur zu kommen. Wer als Erbe von Otis Reading und James Brown angekündigt wird, muss immerhin in gigantische Fußstapfen treten. Und so schien der Sänger aus Nebraska samt seiner Band Soul Colossal zunächst mit angezogener Handbremse durch die seichten Gefilde des Soul zu schippern und zwar durchaus souverän, aber ohne echtes Feuer zu spielen. Bis Hoyer begann, aufzuwachen und Kohlen nachzulegen. Zunehmend ließ er sich von der guten Stimmung im Saal berauschen, drehte auf, holte auch den Funk heraus und erwies sich als Künstler, der zwar keinerlei Beziehung zu James Brown hat, in seinen besten Momenten aber durchaus mit Otis Reading verglichen werden kann. Klasse. Wenn jetzt noch das Lichtkonzept zur Musik gepasst und der Techniker knackige Akzente statt einem wabernden Dauerdunst eingesetzt hätte, wäre die Show richtig stark gewesen. Auch das gehört schließlich zum ersten – und zum zweiten – Eindruck.

Hinsichtlich der Show-Attitüde brauchten Jane Lee Hooker derweil keine Unterstützung. Die Ladies aus New York kamen schon mit gefühlten 10.000 Umdrehungen auf die Bühne und gaben von der ersten Sekunde an Vollgas. Genüsslich verpackten sie Blues-Titel wie „Mannish Boy“ (sowie das Spiritual „Wade In The Water“) in Hardrock und Punk, ließen die Gitarren krachen – und blieben doch irgendwie beliebig. Mehr Schein als Sein. Während Gitarristin Tracy Almazan (einst Bassistin bei Nashville Pussy) zumindest noch den ein oder anderen Akzent setzte, verharrten die anderen zu sehr im Posertum, mit austauschbaren Riffs und farblosen Soli. Vor allem Sängerin Dana Athens überzeugte nicht, schrie sich die Seele aus dem Leib und fand doch erst am Ende zu jenem Blues, dem Jane Lee Hooker mit ihren Covern zu huldigen versuchten. Schade. Da geht noch mehr. Vielleicht am 29. Oktober. Dann kommt die Band zusammen mit Layla Zoe in die Harmonie.


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