Jazzchor der Uni Bonn: Der Traum vom Fliegen

Einfach die Flügel ausbreiten und den Problemen davonfliegen. Ach, das wäre mitunter schön. Viele Menschen träumen von dieser Möglichkeit, um die herum der Jazzchor der Uni Bonn nun seine drei Semesterabschlusskonzerte gestaltet hat. In der aus allen Nähten platzenden Trinitatiskirche, in der der Andrang offenbar alle Erwartungen sprengte, präsentierte das von Jan-Hendrik Herrmann geleitete Vokal-Ensemble Lieder voller Sehnsucht und Freiheitsstreben, mal getragen und dann wieder swingend – und bewies dabei, dass es sich hinter den Platzhirschen BonnVoice und Bonner Jazzchor nicht verstecken muss.

Von Anfang an verzauberte vor allem die bemerkenswerte Klangentfaltung des Jazzchors, die dank feiner Dynamik und exzellenten, wenn auch herausfordernden Arrangements selbst Volkslieder wie „Wenn ich ein Vöglein wär“ entstaubten. Für Gänsehaut sorgte auch die Vertonung eines James-Joyce-Gedichts, in der sich immer wieder feine Chorlinien aus einem bewusst chaotischen, fast schon dissonanten Durcheinander herausschälen, um sich in herrliche Harmonien zu ergießen. Musik vom Feinsten. Allerdings führte der Fokus auf die richtige Intonation gleichzeitig zu einer altbekannten Schwäche vieler Chöre: Mitunter fehlte es am Mut zur Rotzigkeit und an Impulsen nach vorne, die nun einmal vor allem im Jazz und im Rock immer wieder gefordert werden. Besonders bei „Sing, Sing, Sing“ fiel dies auf, der alten Louis-Prima-Bigband-Nummer mit dem unverwechselbaren Drive, die ein Ensemble innerhalb des Jazzchors in braver Tanztee-Manier interpretierte und dabei zwar Vokal-Versionen von Trompeten, Schlagwerk und Klarinetten mit einbezog, diesen aber nicht die entsprechende Wucht zugestand. Ähnlich erging es „Burden“, das mit enthusiastischem Klatschen begann und dann spannungstechnisch absackte, statt weiter durchzustarten. Zugegeben, das ist Kritik auf hohem Niveau, aber der Jazzchor hat sich das verdient – und kann es ja auch besser. Weitaus souveräner groovten die Sänger etwa bei „Spread Love“, dem Massive-Attack-Song „Teardrop“ und dem starken Quincy-Jones-Stück „Wee B. DoinIt“, das sich dank toller Scat-Einlagen und jeder Menge Energie als einer der Höhepunkte des Konzerts erwies. Gleiches galt für die unglaublich anspruchsvolle, exzellent gesungene Barbershop-Version von „Joshua fit the Battle of Jericho“, die ein Männer-Quartett trotz lauten Szenenapplauses bravourös zu Gehör brachte. Insgesamt ein fantastischer Auftritt, dem am kommenden Mittwoch in der Aula der Uni Bonn ein weiterer folgen dürfte.

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