The Temptations Review: Das Erbe von Motown-Legenden

Sie gehören zu den erfolg- und einflussreichsten Formationen der Musikgeschichte, haben sowohl R&B als auch Soul maßgeblich geprägt, sind Ikonen der Motown-Ära: The Temptations können ohne Zweifel als Musiklegenden bezeichnet werden. Mit ihren Choreographien und dem mehrstimmigen Harmoniegesang waren sie in den 60er und 70er Jahren ein frühes, funkiges Äquivalent zu den späteren Boygroups – und diese Mischung kommt auch heute noch an.

Kein Wunder also, dass verschiedene Sänger versuchen, diesen berühmten Namen für sich zu nutzen. Heutzutage gibt es neben den eigentlichen Temptations mit dem letzten noch lebenden Gründungsmitglied Otis Williams, der auch mit 75 zumindest in den USA ab und zu auf der Bühne steht, sicherlich ein Dutzend so genannter Review-Formationen, die das stolze Erbe der Ursprungsformation weitertragen wollen. In Bonn war jetzt die Gruppe um den früheren Temptations-Tenor Glenn Leonard zu Gast, die eindrucksvoll bewies, dass es gar nicht so sehr auf die Besetzung ankommt. Aber dafür um so mehr auf den richtigen Spirit.

 

Leonard und seine Kollegen pflegen den besonderen Sound, die Leidenschaft und den distinguierten Look, kurzum jene Mischung, die die Temptations damals so berühmt gemacht hat. Kein Wunder, immerhin war der 69-Jährige in den späten 70ern bei der Rückkehr zum Motown-Label präsent und hat somit direkt mit Smokey Robinson gearbeitet, der als einer der Grundpfeiler des Temptations-Erfolgs gilt. Vielleicht liegt es aber auch einfach an den großartigen Nummern wie „My Girl“ oder dem (ursprünglich für The Undisputed Truth geschriebenen) „Papa Was A Rollin' Stone“ – auf jeden Fall war die Zeitreise im Brückenforum ein voller Erfolg. Sowohl für die Band als auch für das Publikum. Letzteres, obwohl nicht so groß wie erwartet, tanzte innerhalb von Minuten auf und neben den Stühlen, jubelte und feierte, während Band und Sänger Vollgas gaben und ihr Alter angesichts ihrer stimmlichen und tänzerischen Qualitäten Lügen straften. Bemerkenswert, wie frisch Leonard wirkte: Lediglich in den Falsett-Lagen schwächelte er mitunter und strahlte nicht mehr ganz so sehr wie noch in früheren Jahren. Doch der Soul war immer noch stark in ihm – ebenso wie bei seinen Gesangskollegen. Vor allem André Jackson überzeugte immer wieder mit seinem kraftvollen Organ, doch auch James Faison, Kareem Ali und Joe Coleman sorgten für akustische Höhepunkte. Dass außer Leonard keiner frühere Verbindung zu den Temptations hat, wurde dabei ebenso geflissentlich ausgeblendet wie die Tatsache, dass Coleman zwar als ehemaliger Lead-Sänger der Platters vorgestellt wurde, aber nach aktueller Quellenlage nur zu einem der zahlreichen Ableger ohne Verbindung zur Originalbesetzung gehörte. Egal. Hauptsache, die Illusion funktionierte.

Und das tat sie. Sogar erstaunlich gut. Die kraftvollen, sonoren Stimmen, die emblematischen Tanzbewegungen sowie der druckvolle Klang der Background-Band, alles passte perfekt. Gut, die Choreographie war vielleicht nicht mehr ganz so ausgefeilt wie früher, aber irgendwie mussten die Herren schließlich auch die gut 100 Minuten überstehen, während denen sie einen Super-Hit nach dem anderen darboten und die Zuschauer ein ums andere Mal in Ekstase (und in der Regel in ihre Jugend) versetzten. Stark etwa „Treat Her Like A Lady“, die abwechslungsreiche Version von „Ol' Man River“ und Leonards persönliches Lieblingslied „Just My Imagination“. Ja, in gewisser Weise sind diese fünf Sänger dann doch The Temptations. Oder zumindest so nah dran wie derzeit noch möglich.

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