Rea Garvey: Gefangen zwischen Schmalz und Rock

Es gibt Tage, an denen alles von Anfang an perfekt ist. Und es gibt jene, an denen das Glück immer wieder nachhelfen muss, damit am Ende alles gut wird. Der vergangene Sonntag gehörte zu letzterer Kategorie: Das Konzert von Rea Garvey auf dem KunstRasen, das letztlich so entspannt verlief, schien sogar unter direkter Beobachtung von Fortuna zu stehen, die sicherstellen wollte, dass der Ire und seine gut 3500 Fans auch wirklich zusammenkamen. Die zuvor noch bestehende Unwetterwarnung, die am Nachmittag wegen kurzer, aber extrem heftiger Regenschauer ausgesprochen werden musste, löste sich im Sonnenlicht auf, und auch der Sänger selbst, der einen Flieger nach dem nächsten verpasste, trudelte 20 Minuten vor seinem geplanten Auftritt endlich auf dem Festgelände ein. „Dieser Tag ist magisch“, sagte Garvey denn auch. Und sorgte mit seinem musikalischen Feenstaub beim Publikum für Begeisterung.

Kein Zweifel, Rea Garvey weiß, wie er eine Menge in kürzester Zeit um den Finger wickeln kann. Der charismatische, sympathische 42-Jährige erzählt, unterhält, nimmt irgendwann sogar ein ausgiebiges Bad in der Menge, dabei das Gerüst des Kamerastands erklimmend und von oben ein paar Zeilen singend. Er ist ein Star zum Anfassen, einer, dem man es abnimmt, wenn er sich zu Deutschland bekennt und zugleich von sich behauptet, ein „Klischee-Ire“ zu sein. Dass er sich anbiedert, erscheint dagegen unwahrscheinlich. Auch nicht in musikalischer Hinsicht. Er liebt es wahrscheinlich wirklich aus tiefstem Herzen, diese Mischung aus Schmalz und Rock, aus Party und Folk, die seine Lieder prägt und die so unglaublich massenkompatibel, so frei von Ecken und Kanten ist. Das kann durchaus funktionieren, etwa beim schmissigen, Pogues-angehauchten „Can't Say No“ oder dem durchaus soliden „Heart Of An Enemy“ – doch dann ballert eine Flitterkanone jede Menge Konfetti zur Partyrock-Hymne „Wild Love“ oder flackern die Lichter bei dem durch ein Yoga-Selbstfindungs-Intro schon unnötig verkitschten „The Angel“, und man stellt fest, dass Rea Garvey nicht nur ein Klischee-Ire ist, sondern auch ein Klischee-Rocker.

Dies ist wohlgemerkt nicht böse gemeint: So ist er eben, der Rea. Ein lieber Kerl, der keinem weh tun möchte. Bei Mark Forster, der im Vorprogramm nicht zuletzt mit seinem großen Hit „Au Revoir“ für Stimmung sorgte, entschuldigt er sich sogar explizit dafür, dass er diesen vom Publikum geliebten Auftritt verpasst hat. Und auch die Menge will er nicht enttäuschen: Natürlich spielt er den Reamonn-Hit „Supergirl“ in einer schönen Akustik-Fassung, jenes Lied, auf das ohnehin alle gewartet haben. Und natürlich ist auch mit dem offiziellen Block nach rund 80 Minuten noch nicht wirklich Schluss – wäre ja auch traurig, wenn das alles gewesen wäre. Die gute Laune auf dem KunstRasen ist ohnehin auf dem Höhepunkt, da muss man doch noch nachlegen. Im gleichen Stil, ist ja klar. Die Menge liebt Rea Garvey eben genau so, wie er ist. Auch nicht schlecht. Zugegeben, es täte ihm sicherlich gut, wenn er den Feen Lebewohl sagen würde und zumindest ab und zu ein bisschen erdiger spielen würde, härter, kantiger. Noch ein bisschen mehr Rock und weniger Pop. Würde ihm sicherlich stehen. Wenn er denn wollte. So aber bleibt ein Schulterzucken, um mystisch-imaginären Staub und realen Flitter abzuwerfen und nach vorne zu blicken. Und das Wissen, dass Rea Garvey genau der Künstler ist, den das Publikum verdient.

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