Michael Mittermeier: Blackout mit Warn-Aufkleber

Aufkleber erleichtern das Leben. Überall müssen sie drauf sein, die Warnhinweise. „Enthält kein Pferd“ auf der Lasagne, „könnte heiß werden“ auf Herdplatten, „Plastikfolie entfernen“ auf Tiefkühl-Pizzen. Michael Mittermeiers Programm „Blackout“, das jetzt in der Bonner Oper zu sehen war, sollte dementsprechend mit „Vorsicht, peinlich“ ausgezeichnet werden. Denn was der bayerische Komiker mittlerweile präsentiert, hat mit den unbestreitbaren Qualitäten seiner Vorpremiere vor zwei Jahren im Pantheon nur noch wenig zu tun. Stattdessen türmt er billige Plattitüden und brachiale Pointen zu einem abstrusen Konstrukt, das die wenigen kritischen Töne, die Mittermeier noch zu vokalisieren imstande ist, an den Rand der Bedeutungslosigkeit drängt.

Es sind die Stammtischwitze eines einem Blackout vorausgehenden Saufexzesses, die die Grundlage für Mittermeiers Ausführungen zu bilden scheinen. Wenn er davor warnt, dass Angela Merkel sich irgendwann nicht mehr rasieren könnte, nachdem er ihr Konterfei auf einem griechischen Plakat mit einem Hitler-Bärtchen geschmückt sah, ihre berühmte Raute mit einer Vagina vergleicht oder für eine deutsche Para-Militär-Einheit die Einberufung Tourette-Erkrankter vorschlägt, ist das nicht lustig, sondern einfach nur peinlich. Zumal er diesen Äußerungen aus den Niederungen des Humors nichts entgegensetzt, die Balance zwischen Anspruch und Massenunterhaltung nicht länger zu bewältigen versteht. Ja, er wird immer wieder mal politisch, lacht über das Ausrüstungsdesaster und die Kita-Pläne der Bundeswehr, warnt vor der unnötigen Angst vor „Muslimisierung“ und echauffiert sich über den Voyeurismus unserer Zeit im Fall von Natascha Kampusch – was aber auch schon einige Jahre her ist. Oberflächlich oder altbacken wirkt das alles, substanz- und irgendwie auch hilflos. Schade, zumal Mittermeier in der Vergangenheit unter Beweis gestellt hat, dass er trotz seiner Punk-Attitüde, die er sich aus seiner Jugend bewahrt hat, zu weitaus mehr fähig ist.

Vielleicht muss Mittermeier sich aber auch erst wieder selbst finden. Es ist schon auffällig, wie sehr er derzeit zurück blickt, wie oft er „damals“ sagt und die 80er meint. Damals, als alles noch so einfach und ein Blackout keine große Gefahr war. Als Autos noch ohne Computer fuhren, die Freundin auch ohne Internet gefunden werden konnte und die Pogo-Partys dank eines hünenhaften Freundes immer glimpflich abliefen. In diesen Reminiszenzen blüht der 49-Jährige auf, zeigt sich sprachlich versiert, leidenschaftlich und sogar einigermaßen strukturiert. In der Gegenwart dagegen scheitert er. Ziel- und konzeptlos stolpert er von einem Thema zum nächsten, ohne auch nur eines ansatzweise auszufüllen. Der einstige Masterplan, die Weltherrschaft mittels als Wiesn-Zelte getarnten Trojanischen Pferden voller Lederhosen-Taliban zu übernehmen, ist längst der vom Publikum bejubelten leeren Phrasendrescherei gewichen, die Operation Blackout nach hinten losgegangen. Und Mittermeier? Wirkt wie das Opfer einer „Alien-Entführung“, die in der Regel jenem blüht, der bei einer Zechtour als erster umkippt und dann nach dem Aufwachen die Brillengläser voller Senf beschmiert und eine Bratwurst im Hosenstall vorfindet. In alkoholisiertem Zustand mag das lustig sein. Aber nüchtern betrachtet? Stellt sich die Frage, ob das wirklich nötig war. Oder ob Mittermeier nicht doch mehr vermag. Wenn er nur die plakativen Aufkleber abkratzen könnte. 

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