Wise Guys: Vokal-Pop zwischen Schlager und Geniestreich

Sie haben es immer noch drauf: Seit mehr als 20 Jahren sorgen die Wise Guys mit ihrem Vokalgesang dafür, dass a-cappella-Musik in Deutschland mehr als nur ein Nischendasein fristet. Das Kölner beziehungsweise inzwischen Hürther Quintett füllt große Säle wie zuletzt wieder die Beethovenhalle und sorgt beim Publikum, das vom Vorschulkind bis zum Senior alle Generationen umfasst, ein ums andere Mal für Jubelstürme. Zu recht, mag man mitunter sagen – und dann doch wieder mit dem Kopf schütteln angesichts eines oft albernen Humors und Liedern, die ihre Nähe zum Schlager kaum verhehlen können.

mehr lesen 0 Kommentare

New Model Army: Spätdienst für den urbanen Schamanen

Je später der Abend, desto schöner die Gäste, heißt es. Eine Binsenweisheit, die allerdings für New Model Army spricht. Die britischen Independent-Rocker haben bei ihrem traditionellen Kölner Weihnachtskonzert im Palladium am vergangenen Samstag eine Spätschicht eingelegt; erst um 22 Uhr, nach den Auftritten von Radio Havanna und The Godfathers, betraten sie die Bühne, um ihre Jünger zu beglücken. Doch das Warten hatte sich wie üblich mehr als gelohnt: Die hypnotisch pulsierenden Toms und anderen Drums rund um Michael Dean, die seit dem Album „Between Dog and Wolf“ den neuen Herzschlag der Army beschwören, sorgten einmal mehr für eine phänomenale Atmosphäre, in der Gitarren (Marshall Gill), Keyboard (Dean White) und Bass (Ceri Monger) ein prächtiges Klang-Gewitter bildeten. Und dazwischen Justin Sullivan, charismatischer Gründer, Frontmann und Seele der Army, dessen Intensität einfach unerreicht ist.

mehr lesen 0 Kommentare

„Werther“: Eine Version für die Generation X

Leidenschaft, die Leiden schafft: Damit kennt der junge Werther sich aus. Von einer Liebe erfüllt, die keine Zukunft hat, versinkt Goethes berühmte Figur in tiefe Melancholie und sieht letztlich nur im Suizid eine Rettung vor dem ihn peinigenden Seelenschmerz. Nun hat das Theater Bonn den Briefroman in den Kammerspielen auf die Bühne gebracht und ihm zugleich eine Frischzellenkur verpasst, die die Verlorenheit und den emotionalen Extremismus dieses unsteten Geistes geschickt in die Moderne überträgt.

mehr lesen 0 Kommentare

Max Uthoff: Kanzelrede mit Schönheitsfehlern

Feuer frei! Aus allen Rohren knallt es gegen jeden, der auch nur ansatzweise mit Kapitalismus oder Neoliberalismus liebäugelt. Max Uthoff, der Mann am Abzug, macht in dieser Hinsicht keine halben Sachen. Bei seinem ersten Besuch der Bonner Oper zerlegt der Co-Chef der „Anstalt“ gnadenlos CSU, CDU, SPD und Grüne, im Weltbild des 48-Jährigen allesamt verlogen und verkommen. Die Demokratie ist in seinen Augen längst in die Stiftung Deutschland aufgegangen, die ihre Rendite nur noch an die stummen Teilhaber ausschüttet. Gerade jetzt, da mit Volker Pispers einer der größten kabarettistischen Kämpfer gegen die Mär von der sozialen Marktwirtschaft seinen Abschied von der Bühne erklärt hat, muss das ja jemand mal sagen! Ja, warum nicht? Allerdings zeigt sich Uthoff zumindest an diesem Abend der Mammutaufgabe nur bedingt gewachsen. Denn neben zahlreichen Versprechern, Wiederholungen und Stottereien, die in diesem Maße völlig untypisch für den erfahrenen Künstler sind, offenbaren sich auch manche logischen Fehlsch(l)üsse – und diverse nur mäßig treffende Pointen.

mehr lesen 0 Kommentare

Salut Salon: Weihnachtsfreuden mit Sektpausen

Prost Tannenbaum! Ein Hoch auf den geschmückten Nadelträger, der einmal im Jahr so einiges mitmachen muss. Auch in der Bonner Oper. Erst ein (illusorisches) Feuer, dann eine Sektdusche – und zum Schluss wird er einfach ignoriert. Aber gut, an keinem geht das Weihnachtsfest spurlos vorüber. Das weiß auch Salut Salon und setzt auf Deeskalation mit schöner Musik. Ein Erfolgskonzept: In dem bis auf den letzten Platz ausverkauften Saal reißt das charmante Damenquartett mit einer Mischung aus klassischer und populärer Musik das Publikum immer wieder zu Jubelstürmen hin und schafft es zugleich, für einige besinnliche Momente zu sorgen. Trotz des lichterloh brennenden Baums.

mehr lesen 0 Kommentare

Füenf: Worttausch im Dauertakt

Ein bisschen Weihnachtsstimmung und jede Menge Quatsch: Mit diesem Konzept hat das  A-Capella-Quintett Füenf am vergangenen Sonntag im Haus der Springmaus zu punkten versucht. Doch auch wenn es für den ein oder anderen Lacher durchaus reichte, blieben die Stuttgarter letztlich hinter ihren Möglichkeiten zurück. Denn mit Wortersetzungen, der Bedienung von Klischees über andere Nationalitäten und lieblos zusammengestückelten Medleys kommt man nicht sonderlich weit. Schade, zumal die Gesangsqualitäten durchaus für mehr gereicht hätten.

mehr lesen 0 Kommentare

Dirty Deeds: Härter die Glocken nie klingen

Irgendwas fehlt. Nur was? Die Dirty Deeds, die zum ersten ihrer insgesamt vier traditionellen Weihnachtskonzerte auf der Bühne der Harmonie stehen, hämmern wie gewohnt AC/DC-Klassiker in Richtung eines fröhlich feiernden Publikums, exzellent intoniert und virtuos gespielt. Die Band ist musikalisch gesehen zweifelsfrei bei 100 Prozent – und vielleicht ist genau das das Problem. Denn während vielen anderen dieses Niveau reichen würde, erwartet man von den Bonnern eigentlich etwas mehr. Spannung, Präsenz.

mehr lesen 0 Kommentare

Max Raabe: Verschmitzte spritzige Liebeslieder

Ach ja, der Gentleman und die Frauen. Kein leichtes Verhältnis. Mal fordert das Weib zu viel, dann wieder grundsätzlich das Gegenteil – und doch lockt es ständig den Mann an. Max Raabe kann davon ein Liedchen singen. Oder zwei. Oder drei. In der Oper Bonn, wo er jetzt ausnahmsweise ganz ohne sein Palastorchester und nur in Begleitung von Pianist Christoph Israel zu Gast ist, plaudert der Charmeur mit der unverkennbaren Schellackplattenstimme aus dem Nähkästchen, verschmitzte, spritzige Couplets aus den 20er und 30er Jahren präsentierend. „Ein heißer Kuss, ein süßer Blick“, welch ein Genuss – und Raabe, so schick wie eh und je, sorgt mit gewohnt meisterhafter Verbeugung vor der „leichten Muse“ in dem ausverkauften Haus für beständige Begeisterung.

mehr lesen 0 Kommentare

„Macbeth“: Die dunkle Seite der Macht

Königsmörder, Usurpator, Tyrann: Auf seinem Weg auf den Thron Schottlands ist Macbeth der dunklen Seite der Macht erlegen und herrscht nun mit eiserner Faust. Verführt und angestachelt von seinem Ehrgeiz, aber auch von den Prophezeiungen dreier Hexen ist der Soldat im wahrsten Sinne des Wortes über Leichen gegangen, hat den dekadenten Herrscher Duncan ebenso wie – aus reiner Paranoia – seinen besten Freund Banquo eliminiert und verfällt, von Schuldgefühlen geplagt, zunehmend dem Wahnsinn.

mehr lesen 0 Kommentare

The Pretty Things: Angezählt und trotzdem siegreich

KO? Den Begriff kennen The Pretty Things nicht. Schon oft ist die britische Band, die in den 60er Jahren als eine der wildesten Musikformationen ihrer Zeit bezeichnet wurde und die neben der die Rolling Stones nach Aussage des englischen Schriftstellers Nik Cohn wie „die sprichwörtliche Teegesellschaft im Pfarrhaus“ wirkte, als erledigt angesehen worden. Doch das Quintett um die beiden Gründungsmitglieder Phil May und Dick Taylor haben sich immer als Künstler mit Nehmerqualitäten erwiesen, die sich einfach nicht kleinkriegen lassen. Zugegeben, die Zeit hat ihre Spuren hinterlassen, was sich neben dem Offensichtlichen auch daran festmachen lässt, dass die Proto-Punk-Attitüde der frühen Jahre längst einem konservativeren Anstrich gewichen ist – aber rocken können die Hübschen Dinger immer noch, wie sie jetzt in der Harmonie unter Beweis stellten. Wenn denn der Körper mitmacht.

mehr lesen 0 Kommentare

Niels Klein: Sci-Fi-Jazz mit Flötentönen

Es sind Klänge von einem verlorenen Planeten: Niels Klein, Jazz-Echo-Saxofonist des Jahres 2015 und einer der beiden Leiter des Bundesjazzorchesters, hat bei seinem Konzert im Pantheon Casino im Rahmen der Reihe Jazz in Concert bewiesen, warum seine Musik mitunter von einem fremden Stern zu kommen scheint. Die Musik ist schon gewöhnungsbedürftig, rhythmisch durchaus strukturiert, melodisch aber exotisch. Alienesk. Die Kleinschen Klarinetten sind elektronisch aufgemotzt und vermögen mit ihren Effekten ohne weiteres mit dem nicht minder avantgardistischen Spiel von Gitarrist Hanno Busch oder den Synthesizer-Extravaganzen Lars Dupplers mitzuhalten, während Schlagzeuger Jonas Burgwinkel den Scotty mimt, das Jazz-Schiff zusammenhält und zugleich mit eigenen Experimenten Akzente setzt. Das „Tubes & Wires“-Quartett dringt dabei in Galaxien vor, die nie ein Mensch zuvor vernommen hat.

mehr lesen 0 Kommentare

„Jesus Christ Superfluid“: Die großen Fragen von Wissen und Sein

Unverständnis kann manchmal ein echter Segen sein. Denn an zu viel Wissen kann selbst ein Mensch gewordener Gott zerbrechen: In Philip Roschers und Silinee Damsa-Ards Stück „Jesus Christ Superfluid“, das pünktlich zum 46. Geburtstags des Euro Theater Central seine Uraufführung feiern konnte, ist genau dies das Schicksal der Titelfigur (Rudy Orlovius), einem versoffenen Wrack, das mit der Bedeutungslosigkeit des Lebens angesichts eines überwältigenden Nichts hadert.

mehr lesen 0 Kommentare

Toys2Masters: Die Rechnung ohne Til gemacht

Für den Durchmarsch hat es nicht ganz gereicht: Die Koblenzer Band Ultraschall hat beim diesjährigen Finale des Nachwuchsband-Wettbewerbs Toys2Masters trotz einer exzellenten Show, treuer und lautstarker Fans sowie herausragender Wertungen im Vorfeld den Sieg knapp verfehlt. Die klaren Favoriten, die mit ihrem krachend-intelligenten Rock sowohl die beiden Vorrunden als auch das Viertel- und Halbfinale von Nordrhein-Westfalens größtem Bandcontest souverän gewonnen hatten und kurz davor standen, Geschichte zu schreiben, mussten sich am vergangenen Samstag im Brückenforum dem Trio Til geschlagen geben.

mehr lesen 0 Kommentare

Thimon von Berlepsch: Die Magie des menschlichen Geistes

Immer wieder schallt ein einzelnes Wort durch das Pantheon. Ein Ausdruck der ungläubigen Überraschung. „Nein“, ertönt es, wenn Thimon von Berlepsch mal wieder etwas zustande gebracht hat, das auf den ersten Blick unmöglich erscheint. „Doch“, müsste die Antwort heißen. Schwebende Tische, Materie durchdringende Tücher und Menschen, die ihren Namen nicht mehr sagen können sind in der Show des Magiers und Hypnotiseurs keine Fiktion, sondern nur ein Fingerschnipsen entfernt. Auch wenn manche Besucher das kaum glauben können.

mehr lesen 0 Kommentare

Atze Schröder: Fremdgehen mit Bonobos

„Treue ist keine Frage des Charakters, sondern der Versuchung“, soll Udo Jürgens einmal gesagt haben. Ein Satz, den Atze Schröder liebt. Der Brachial-Komiker, dessen Witze ohnehin zumeist entweder auf Felgenniveau oder unter der Gürtellinie liegen, ist selbst dem ein oder anderen Techtelmechtel nicht abgeneigt – der Mann mit den Minipli-Locken, der blau getönten Brille und den knatschengen Klamotten ist auch in seinem 50. Lebensjahr noch hormongesteuert wie ein Zuchtbulle, und welche ausreichend alkoholisierte Frau könnte zu ihm schon Nein sagen? In der Beethovenhalle gibt Mega-Macho Atze, wahrscheinlich die bekannteste Kunstfigur der deutschen Comedy-Szene, nun mit seinem aktuellen Programm „Richtig Fremdgehen“ Tipps für befriedigende Affären. Und verweist unter anderem auf ein Beispiel aus dem Tierreich.

mehr lesen 0 Kommentare

Nits: Wellen aus der Wundertüte

Das Unerwartete gehört bei der niederländischen Band Nits zum Konzept. Alles, nur nicht gewöhnlich. Das mag sich in Kleinigkeiten zeigen, in Möwenkreischen etwa oder einer Zugdurchfahrt, die eine ruhige Ballade in zwei Hälften teilt – aber auch in der stilistischen Offenheit, der die Band seit etwa vier Jahrzehnten frönt. Zuordnungen? Sind meistens nicht mehr als Schall und Rauch. Nits sind trotz ihrer damaligen Nähe zur Szene keine reine New-Wave-Band, doch auch der so gerne verwendete, schwammige und damit letztlich unbrauchbare Begriff Pop greift nicht. Das Trio ist mehr, wie es jetzt in der Harmonie bei einem herausragenden Konzert unter Beweis stellte. Es ist Alternative Folk, Independent Synthi-Rock, avantgardistisches Triangel-Spiel und verrückter Klangzirkus. Vor allem aber ist es eins: großartig.

mehr lesen 0 Kommentare

Guildo Horn: Weihnachtsfeier für die Rasselbande

Es ist brechend voll in der Harmonie. Jünger, wohin man blickt, alle auf ihren Herrn und Meister wartend, der für sie die Weihnachtszeit einläutet. Der Saal ist zur Kathedrale geworden, mit Krypta, Sakristei, Mittelschiff – und einer Kanzel, von der aus ein trommelnder Kardinal die Ankunft des geistlichen Vaters der schwitzenden Massen ankündigt: Guildo Horn ist da. Und predigt auf seine ganz eigene Weise. Zusammen mit seinen Orthopädischen Strümpfen nimmt sich der 52-jährige Schlagerpapst wieder jede Menge Rock- und Pop-Songs zur Brust, um sie mit weihnachtlichen Zeilen zu überziehen und seine Anhänger so auf das Christkind vorzubereiten. Was ihm wie in jedem Jahr hervorragend gelingt.

mehr lesen 0 Kommentare

Torsten Sträter: Snickers im Mondlicht

„Wir kommen keinen Millimeter voran“, stellt Torsten Sträter resigniert fest. Stimmt. Wird wohl nix mehr mit dem Vorlesen. Es gibt einfach zu viele Ablenkungen. Klirrende Gläser, Fragen und Kommentare aus dem Publikum, und dazu all die Anekdoten, die sich zu einem verworrenen roten Faden zusammenfügen und überall hinführen. Nur nicht zu irgendwelchen Texten. Andererseits stört sich niemand wirklich daran: Die Abschweifungen des 49-jährigen Sprachkünstlers mit seinem schnodderigen Charme sind ohnehin das Beste, was dieser Abend im Pantheon zu bieten hat. Und auch wenn Sträter ab und zu behauptet, all das eigentlich gar nicht erzählen zu wollen, ist jeder froh, dass er es doch tut.

mehr lesen 0 Kommentare

Edgar Winter Band: Rock-Tornado in Topform

Ohne Johnny geht es nicht. „Sein Geist wird immer bei mir sein“, sagt sein Bruder Edgar Winter über den im vergangenen Jahr verstorbenen legendären Gitarristen – und setzt ihm bei seinem Auftritt in der Harmonie ein eindrucksvolles Denkmal. Energiegeladen und kraftvoll jagt der 69-Jährige mit den markanten schneeweißen Haaren (wie Johnny kam er mit Albinismus zur Welt) unterstützt von einer exzellenten Band durch zahlreiche Blues- und Rock-Nummern, die mitunter ausgiebig die Musikgeschichte von Led Zeppelin bis zu The Who zitierten und doch im Kern weitgehend auf Winters eigenen Kompositionen beruhen.

mehr lesen 0 Kommentare

Hans Klok: Teleportation am laufenden Band

Was ist das nur mit Hans Klok und den Frauen? Immer wieder sperrt der niederländische Magier seine bezaubernden Assistentinnen in viel zu kleine Kisten, bannt, fesselt und zerteilt sie oder nutzt seine Kräfte, um mit den Damen innerhalb von Sekundenbruchteilen den Platz zu tauschen, wenn einmal er in einer Notlage ist. In seiner neuen Show „The New Houdini“, die jetzt in der Beethovenhalle Bonn zu sehen war, frönt der Meister der Schnell-Illusionen dieser Leidenschaft in besonderem Maße: Kaum eine Nummer, in der nicht irgendwer in einer Konstruktion verschwindet, die anschließend mit schweren Ketten verschlossen oder von allen möglichen scharfen Gegenständen durchbohrt wird. Zu Schaden kommt dabei keiner – außer Klok selbst. Und der erscheint nicht nur als Experte in Sachen Teleportation, sondern auch als jemand, der dem Tod mit einem Lächeln jederzeit ein Schnippchen schlagen kann.

mehr lesen 0 Kommentare

„Xeno overro l'Antagonista“: In jedem steckt ein Iago

Wer anders ist, wird ausgestoßen. Öffnen und anpassen, das müssen sich immer die Fremden, die Xenos dieser Welt. Und selbst wenn sie es tun, bleiben sie für manche Menschen doch immer eine Zielscheibe des Hasses und der Verachtung. In dem italienischen, mit deutschen Übertiteln versehenen Stück „Xeno overro l'Antagonista“ der internationalen Theatergruppe GIFT, die seit Montag zu Gast im Euro Theater Central ist, skizziert das Ensemble an drei Beispielen diese Problematik: Die Goten wollen Teil des Römischen Reiches werden, scheitern aber an der trägen Bürokratie und denken daher über einen Feldzug im Dienste des Hunnen Attila nach; In Venedig erregt das persönliche und berufliche Glück Othellos den Neid Iagos; und in Wien entwickelt ein mittelloser Hitler erste antisemitische Tendenzen.

mehr lesen 0 Kommentare

Zärtlichkeiten mit Freunden: Neubesetzung im alten Gewand

Schon von der ersten Sekunde an ist klar: Dieser Abend wird so manche Nerven strapazieren. „Meine Oma fährt im Hühnerstall Motorrad“ in Endlosschleife ist nun eben nicht dazu geeignet, das Publikum auf einen entspannten Abend einzustimmen. Andererseits, was will man auch von „Zärtlichkeiten mit Freunden“ anderes erwarten? Die beiden Anarcho-Kasparettisten Cordula Zwischenfisch (Christoph Walther) und Ines Fleiwa (Stefan Schramm) pflegen nun einmal die Kunst der grobmusikalischen Tortur, hinter der regelmäßig der Wahnsinn und nur ab und zu eine feinsinnige Pointe aufblitzt. Doch der Eklat in Bonn stellt alles bisherige in den Schatten: Cordula Zwischenfisch schmeißt schon im Vorfeld die Drumsticks hin, da der Freundes-Streit um Rotbäckchensaft-Flaschen mit oder ohne Pfand schlichtweg zu weit ging. Jetzt muss es Schüler Rico Rohs (eine andere Figur von Christoph Walther) richten – und damit beginnt die brüllend komische, absurde, peinliche und eben nervenaufreibende Katastrophe.

mehr lesen 0 Kommentare

Carolin No: Immer noch mit leisen Tönen

Ganz ruhig sind sie. Leise. Zärtlich. „Still“ eben, so wie es der Titel des aktuellen Programms des Ehepaars Carolin und Andreas Obieglo alias Carolin No impliziert. Und: „Still here“, also immer noch da, nach zehn gemeinsamen Jahren, in denen das Musikerduo das Publikum mit filigranen Melodien und poetischen Texten für sich eingenommen hat. Im ausverkauften großen Saal des Pantheons wollen die beiden dieses Jubiläum nun auf ihre Art feiern und verträumt zurückblicken. Lieder von ihrem ersten Album stehen ebenso auf dem Programm wie solche, die sie schon immer singen wollten, aber die sie nie haben realisieren können. Bis jetzt. So werden denn Lücken gefüllt und Fans beglückt, die freudestrahlend mitsingen (natürlich leise) und den fantastischen Abend genießen.

mehr lesen 0 Kommentare

Layla Zoe: Röhrender Wirbelwind

Schneller, härter, wuchtiger – wenn schon Blues, dann bitte richtig. Mit röhrender Stimme und wirbelnder Mähne gibt Layla Zoe in der Harmonie von der ersten Sekunde Vollgas, bringt den Zwölftakter auf Touren und das Blut der Fans zum Kochen. Die kanadische Powerfrau liebt diesen rockigen Stil, bei dem ihr beeindruckend tiefes Organ hervorragend mit dem virtuosen Gitarrenspiel von Jan Laacks harmoniert. Und wenn letzterer sich mal wieder in eines seiner mitunter schier endlosen Soli flüchtet, lacht Zoe nur und lässt in bester Headbanging-Manier die Haare fliegen. Immerhin muss sie, wie sie sagt, ab und zu ihre wilde Seite herauslassen. Was dem Publikum nur recht ist.

mehr lesen 0 Kommentare

Cirque du Soleil: Farbenfroh im Zauberwald

Magische Wesen durchstreifen das Zwielicht, kommen hinter den Bäumen hervor, neugierig lauernd und kauernd, nur um dann doch eines nach dem anderen ins Rampenlicht zu treten und selbstbewusst nach oben zu streben, in jene Sphären, aus denen Ikarus fiel. Die spektakuläre Show „Varekai“ des Cirque du Soleil, die noch bis zum 22. November in der Lanxess Arena in Köln gastiert, spielt mit diesem Mythos, nutzt ihn als Initialzündung für eine Akrobatik-Präsentation auf höchstem Niveau – und schafft es trotz herausragender Einzelleistungen nicht vollständig, das Publikum in seinen Bann zu ziehen. Denn eine stringente Handlung fehlt in diesem Konzeptzirkus. Und somit auch ein entscheidendes Quentchen Zauberei.

mehr lesen 0 Kommentare

Nikki Hill: Feuer für den Gatten

Kraftvolle Sängerinnen gibt es viele. Soulig-sanfte ebenfalls. Doch nur wenige können die beiden Seiten adäquat verbinden, können kratzig-rauen Rock n' Roll ebenso singen wie R'n'B-Balladen und dabei authentisch wirken. Wanda Jackson ist dieses Kunststück gelungen, Tina Turner auch – und jetzt steht auf der Bühne der Harmonie ein weiteres zierliches Energiebündel namens Nikki Hill und macht sich daran, dieses Erbe weiterzutragen. Die mitunter bereits als neue Queen of Rock n' Roll titulierte Powerfrau zeigt sich bei dem Abschlusskonzert ihrer Deutschlandtournee ungeheuer wandlungsfähig, ist Südstaaten-Feuerball, Blues-Wirbelwind und Rock-Gewitterwolke in Personalunion und überrascht das Publikum ein ums andere Mal mit einer neuen Facette ihrer Diamant-Stimme.

mehr lesen 0 Kommentare

„Mildred Scheel“: Der unbedingte Wille zur Heilung

Wer war Mildred Scheel? Was war sie für eine Frau, abseits ihrer Funktionen als First Lady an der Seite des ehemaligen Bundespräsidenten Walter Scheel, Gründerin der Deutschen Krebshilfe und streitbare Ärztin von Weltrang? Diese Frage, so erzählte deren Tochter Cornelia im bis auf den letzten Platz gefüllten Kuppelsaal des Thalia Bonn, habe ihr eines Tages eine Zufallsbekanntschaft auf dem Flughafen Köln/Bonn gestellt. Die Antwort darauf findet sich in ihrem erst vor wenigen Tagen erschienenen Buch „Mildred Scheel. Erinnerungen an meine Mutter“, aus dem die Komikerin und Moderatorin Hella von Sinnen, die 25 Jahre lang mit der Autorin liiert war, mehr als eine Stunde lang Anekdoten und Reminiszenzen vortrug. Es handelte sich um die erste öffentliche Lesung dieser Art – und die machte Lust auf mehr.

mehr lesen 0 Kommentare

„Gut Genug“: Der ganz normale Elternwahnsinn

Eigentlich wollten Frau Ragotsky und ihr Freund A.C. ein ganz normales Leben führen. Ein unabhängiges, lässiges, freies Leben. Bis Flo kam. Oder Floh, je nachdem. Dieser Winzling, der alles verändert, schon bevor er tatsächlich da ist. Der Ängste, Freude und Frustration auslöst und das Pärchen auf der Bühne des Euro Theater Central an den Rand der Verzweiflung treibt. Und mitunter auch darüber hinaus. Eltern werden ist nicht schwer? Doch, beim ersten Mal schon. Und so kämpfen sich Frau Ragotsky und A.C. eben durch den Dschungel von Voruntersuchungen, Atemübungen und vermeintlich hilfreichen Erziehungsratgebern, ständig bemüht, es auch ja gut zu machen. Oder zumindest – so der Titel des jetzt gezeigten Stücks von Birgit Vanderbeke – „Gut Genug“.

mehr lesen 0 Kommentare

Martin Zingsheim: Sprachwitz gegen Biedermeierlichkeit

Manchmal muss man sich einfach entscheiden. Für Kabarett oder doch lieber für Pointen. Für die Freiheit der Sprache („zwei Expressis bitte“) oder deren Eleganz. Für die urtümliche Berghütte oder für die Annehmlichkeiten der digitalen Welt. Entweder oder. Es sei denn, man heißt Martin Zingsheim. Dann nimmt man beides. Und zwar mit einem unschuldigen Grinsen auf den Lippen. Der 31-Jährige, der im Pantheon mit seinem Programm „Kopfkino“ zu Gast ist, setzt genussvoll eine köstlich-skurile, mitunter auch zutiefst philosophische Miniatur an die nächste, nicht unbedingt stringent, aber immer uneingeschränkt komisch, dabei jedes noch so große Paradoxon mit Leichtigkeit überwindend. Und wenn gar nichts mehr geht, hilft immer noch ein Lied.

mehr lesen 0 Kommentare

Mike Zito: Wandelbarer Bluesrock

Schlechte Nachrichten sind gut. Zumindest wenn sie von Mike Zito überbracht werden. Der Ausnahme-Gitarrist, der sich im vergangenen Jahr von der Royal Southern Brotherhood losgesagt hatte und seitdem lieber Solo-Pfade verfolgt, ist jetzt mit seiner Band The Wheel in die Harmonie gekommen, um sein neues Album vorzustellen. „Keep Coming Back“ heißt es und ist ebenso sehr Zitos Versprechen an seine Fans als auch an sich selbst: Auf diese Weise hat der 44-Jährige in Texas nach eigener Aussage seine Drogensucht überwunden, mit jeder Menge Ausdauer und Willenskraft. Und immer dann, wenn er sich von den glatten, weichgespülten Americana-Songs verabschiedet, die Zito mitunter so sehr liebt, und stattdessen auf den guten alten Bad-News-Blues zurückgreift, nimmt man ihm dies auch ab.

mehr lesen 0 Kommentare

Pantheon Spezial: Kabarettistische Appetizer

Manchmal lohnt es sich, etwas Neues zu probieren. Vorzugsweise in kleinen Häppchen, um zu sehen, ob man auf den Geschmack kommt. Mit diesem Konzept hat das Bonner Pantheon jetzt zu einer ganz besonderen Mixed Show eingeladen: Kabarettistische Appetizer in vier verschiedenen Geschmacksrichtungen zwischen Impro-Theater, Polit-Kabarett und Eltern-Comedy waren angerichtet, präsentiert von bislang eher unbekannteren Künstlern aus der Region. Ein Testessen, das durchaus Lust auf mehr machte. Denn das vom Maître d’hôtel Fatih Cevikkollu servierte Spezial-Menü ließ letztlich jeden Gast auf seine Kosten kommen.

mehr lesen 0 Kommentare

„Kassandra“: Im Kopf der Prophetin

Kassandra, die Unverstandene. Die Tochter des trojanischen Königs Priamos, von Apollon mit der Gabe der Weissagung gesegnet und zugleich mit dem Fluch belegt, dass niemand ihren Worten Glauben schenkt, ist eine tragische Figur, die kontinuierlich zwischen Verzweiflung und Wahnsinn wandelt. Nun haben sich Regisseurin und Choreographin Michaela Fünfhausen, Schauspieler und Tänzer Jannis Arampatzis sowie Komponist Uwe Storch dem Mythos angenommen – und wagen sich in einer intensiven Inszenierung in den Kopf des Orakels.

mehr lesen 0 Kommentare

Andreas Thiel: Die Farben der Satire

Satire darf alles, hat Kurt Tucholsky 1919 noch propagiert. Eine Aussage, der sich Andreas Thiel bedingungslos anschließt. Der Schweizer mit der auffälligen Irokesenfrisur, der im vergangenen Jahr mit seiner islamkritischen, polemischen und argumentatorisch tatsächlich fragwürdigen Streitschrift „Der Schatten des Ostens“ in der Weltwoche für Schlagzeilen gesorgt hatte, liebt die Provokation – kann aber auch verhältnismäßig brav sein, wenn es denn der Sache dient. Im Pantheon Casino rechnet er etwa mit seiner Kindheit auf der Waldorfschule ab, ein harmloses Thema, das dank Strafeurythmie, Rückführungsstunden und roten Fröschlein überaus amüsant präsentiert werden kann und so für eine kleine Verschnaufpause zwischen den geharnischten Abrechnungen mit Heimat, Religion und Weltpolitik sorgt.

mehr lesen 0 Kommentare

wünschdirwas: Lachen für einen guten Zweck

in bisschen Sitzfleisch kann man ja mal opfern: Dass es spät wird, wenn der Verein wünschdirwas ins Pantheon einlädt, hat mittlerweile fast schon Tradition. Dass es kurzweilig wird, ebenfalls. Beim vierten Benefiz-Kabarettabend, der am vergangenen Montag stattfand, hatte Organisatorin und Moderatorin Sandra Niggemann einmal mehr fünf Künstler zusammengetrommelt, die bereitwillig auf ihre Gage verzichteten und so ebenso wie die leider nicht ganz so zahlreich erschienenen Gäste und diverse Sponsoren dazu beitrugen, dass die Wünsche schwer erkrankter Kinder und Jugendlicher auch in Zukunft Wirklichkeit werden können: Ob Pinguinstreicheln, Astronautentraining oder einfach nur ein Date. Dafür blieb man auch mal etwas länger als gewöhnlich auf seinem Platz. Und lachte ein bisschen mehr.

mehr lesen 0 Kommentare

Fatih Cevikkollu: Der Herzflüsterer

Offiziell leben wir in Deutschland ja in einer Zivilgesellschaft. Aber in einer, die nur dann aufzuschreien scheint, wenn bei einem Unglück Landsleute betroffen sind. In seinem neuem Programm „Emfatih“, das jetzt im Pantheon seine Bonnpremiere feierte, geht Fatih Cevikkollu nun dagegen vor. Oder versucht es zumindest. Kabarett fürs Herz statt fürs Hirn soll es sein, mit Wahrheiten, die man fühlen muss und weniger verstehen. Ein reizvoller Ansatz. Doch so ganz geht der Plan nicht auf.

mehr lesen 0 Kommentare

Robert Kowalski & Eva Scheurer: Wortmagie im Milchwald

Es ist der Klang, der an erster Stelle steht. Die Harmonie der Worte. Das faszinierende Spiel der Sprache beherrscht das Œuvre des walisischen Dichters Dylan Thomas, der wie so viele große Künstler viel zu früh, mit gerade einmal 39 Jahren, im November 1953 verstarb. Im Euro Theater Central haben Rudolf Kowalski (unter anderem bekannt durch die TV-Krimiserien „Bella Block“ und „Stolberg“) und seine Frau Eva Scheurer nun eine Art Portrait des großen Poeten gezeichnet, das keinen Anspruch auf biographische Vollständigkeit erhebt, dafür aber mit Wucht jenen Zauber erweckt, der in Werken wie „Unter dem Milchwald“ eingewoben ist. Und damit Thomas wahrscheinlich am ehesten gerecht wird.

mehr lesen 0 Kommentare

Julia Hülsmann: Ein Trio mit vier Wegen

Eine Einheit? Nein, die ist das Julia Hülsmann Trio nicht unbedingt. Eher eine Gemeinschaft dreier gleichgesinnter Individuen, von denen jeder seine eigene Sprache hat und sich auch nicht scheut, diese in den musikalischen Diskurs einzubringen. In der Harmonie haben die berühmte Jazzpianistin Hülsmann und ihre beiden Kollegen Marc Muellbauer (Bass) und Heinrich Köbberling (Schlagzeug) sich nun diesem polyphonen Ansatz ergeben – und es geschafft, das Publikum mitzunehmen, statt es auf halber Strecke hängen zu lassen. Muss man auch erst einmal schaffen.

mehr lesen 0 Kommentare

The Grandsheiks: Jubel für den Kronprinz des Wahnsinns

Nur wenige Musiker haben die Verbindung von Genie und Wahnsinn so konsequent vollzogen wie Frank Zappa. Die Werke des Dadisten und Satirikers sind in ihrer Komplexität ebenso unvergleichlich wie in ihrer inhaltlichen Relevanz, die sich geschickt hinter einer bemerkenswerten Liebe zum Blödsinn verbirgt. In der Harmonie konnte man dem Œuvre des Großmeisters, das aufgrund seiner Offenheit fast schon an eine Art absurder Universalmusik erinnert, nun so nahe kommen wie sonst nur selten.

mehr lesen 0 Kommentare

Jazztube: Junge Klänge unter der Erde

Samba-Rhythmen, Synthi-Experimente und swingendes Songwriting: Das Finale des diesjährigen Jazztube-Festivals, das am vergangenen Sonntag im ausverkauften Pantheon begangen wurde, hat mit bemerkenswert großer Bandbreite jungen Jazz in all seinen Facetten präsentiert. Drei der insgesamt 15 Bands, die im August an ausgewählten Bonner U-Bahnhöfen gespielt hatten, durfte das Publikum zuletzt per Online-Voting zu diesem besonderen Abend einladen – und traf dabei eine gute Wahl. Initiator Thomas Kimmerle zeigte sich dementsprechend zufrieden, zumal sein Konzept einmal mehr bestätigt wurde und auch im kommenden Jahr mit Unterstützung der Stadtwerke Bonn fortgeführt werden wird.

mehr lesen 0 Kommentare

Crossroads: Geniales Mittelmaß

Na also. Geht doch. Nachdem die ersten beiden Tage der aktuellen WDR-Crossroads-Staffel in der Harmonie bei vielen Besuchern einen faden Beigeschmack und nur wenig Begeisterung hinterließen, haben die Bands, die am Freitag und Samstag auf der Bühne standen, einiges wieder gutmachen können. Rauer, dreckiger Rock, exzellenter Blues und sonnendurchflutete Party-Musik sorgten für ein akustisches Feuerwerk und euphorisch strahlende Gesichter – nicht zuletzt dank einer Slide-Lichtgestalt und eines energiegeladenen Riot Girls.

mehr lesen 0 Kommentare

Sun and the Wolf + Die Nerven: Präsenz ist ein Fremdwort

Für interessante Paarungen ist das WDR Crossroads-Festival, das jedes halbe Jahr in der Harmonie ausgerichtet wird, ja wohlbekannt. Mal setzen die Organisatoren bewusst auf Kontraste, dann wieder auf Gemeinsamkeiten. Die eine Parallele, die die beiden Bands am vergangenen Donnerstag aufwiesen, wäre allerdings nicht nötig gewesen: Sowohl Sun and the Wolf als auch das zuletzt hochgelobte Postpunk-Trio Die Nerven erwiesen sich als Formationen ohne nennenswerte Bühnenpräsenz, so dass der Funke zum Publikum nicht überspringen konnte. Bedauerlich, zumal auch musikalisch die zuvor geschürten Erwartungen nur zum Teil erfüllt wurden. Denn die Monotonie war oft nur einen Takt entfernt.

mehr lesen 0 Kommentare

„Blut ist dicker als Wasser“: Was sich liebt, das neckt sich

Plagegeister und Spielkameraden, Vertraute und Erzfeinde: Geschwister können all das auf einmal sein. Und mehr. Regisseurin Christina Schelhas, die sich in der vergangenen Spielzeit bereits mit ihren eigenen Schwestern auf der Bühne auseinandergesetzt hat, hat sich nun einmal mehr dieser Familienkonstellation gewidmet, diesmal aber die Erlebnisse von Bonner Bürgern in Szene gesetzt. Jetzt hat „Blut ist dicker als Wasser“ in der Werkstatt des Theater Bonn Premiere gefeiert – und überrascht mit vielen bewegenden Momenten.

mehr lesen 0 Kommentare

Till Reiners & Nico Semsrott: Zynismus bis zur letzten Konsequenz

Menschenrechte gefährden Arbeitsplätze. Und Moral ist ein arroganter Luxus, den sich in der harten Realität niemand leisten kann, der ganz nach oben kommen will, in jenes Reich der Gutverdiener, die zumindest einigermaßen von ihrer Arbeit leben können. Knallhart hämmert Till Reiners in der Gestalt eines eiskalten Glückskeks-Fabrikanten diese Parolen ins Haus der Springmaus, predigt ein Gebot des Gottes namens Markt nach dem anderen. Ihm gegenüber sitzt der dauerdepressive Nico Semsrott, oftmals sprachlos und ungläubig ob dieser Kaltschnäutzigkeit, versucht wie ein Schuljunge mit Werten und Normen gegen die Verkörperung des Kapitalismus aufzubegehren – und kann daran nur scheitern.

mehr lesen 0 Kommentare

Brian Augers Oblivion Express: Fusion zweier Legenden

Es soll schon ein bisschen her sein, dass Brian Auger seinen letzten großen Erfolg feiern konnte. „Das war in einer Zeit, als Augustus noch Kaiser war“, erklärt der gut gelaunte Brite auf der Bühne der Bonner Harmonie bei der Ansage des Trinity-Klassikers „Ellis Island“ und lacht. Na ja, nicht ganz – zumal die Musik des großen Fusion-Keyboarders mehrfach wiederentdeckt worden ist, in den 90ern von Vertretern des Acid Jazz ebenso wie eine Dekade später von DJs wie Madlib. Völlig weg vom Fenster war Augers Musik also nie. Legenden leben eben weiter. Irgendwie.

mehr lesen 0 Kommentare

Senkrecht & Pusch: Clownerie mit Musik und Möhre

Kleiner geht es einfach nicht: Wenn sich Bastian Pusch und Arnd Schimkat (alias Senkrecht) schon etwas vornehmen, dann muss es mindestens die Revolution sein. Oder zumindest ein Umsturz. Wenn auch ein großer. Durch Kultur und Tanz, Musik und Liebe die Welt verändern. Na gut, Deutschland. Bonn. Das Pantheon-Publikum. Das wird reichen, immerhin kann selbst ein Kieselstein Wellen schlagen. Wenn er nur ins Wasser fällt. Doch genau damit tun sich Senkrecht und Pusch schwer: Ihre skurrile Mischung aus absurdem Songwritertum, Kabbelei und Clownerie schafft es nur mit Mühe, eine nachhaltige Wirkung zu erzielen. Denn dafür agieren der Lange und der Kurze in weiten Teilen einfach viel zu bemüht.

 

Seit zwölf Jahren stehen der kleine Pianist, der schon für Herbie Hancock komponiert und für Lang Lang arrangiert hat, und der Zwei-Meter-Schauspieler gemeinsam auf der Bühne – ein Frischlings-Bonus kann ihnen da nicht mehr gewährt werden. Umso erstaunlicher ist, dass die beiden Klischee-Figuren alles andere als souverän wirken, die Pointen oft vorhersagbar und platt sind.

mehr lesen 0 Kommentare

Rebekka Bakken: Gifttropfen und Reibeisenwucht

Kehlig, knarzend, keifend, quäkend: So hat man Rebekka Bakken bei aller ihr zugestandenen Wandlungsfähigkeit wahrscheinlich noch nie gehört. Doch die rumpelnd-poetischen Songs des Reibeisenbarden Tom Waits, die die Norwegerin jetzt zusammen mit der hr-Bigband in der Philharmonie Köln präsentiert hat, erfordern nun einmal einen rauen, rauchigen Sound – und den lieferte die 45-jährige Sängerin mit atemberaubender Stimmkunst sowie einer sicht- und hörbaren Lust an den mitunter schmerzhaft schönen, oft aber auch bewusst gebrochenen Melodien, die die von Waits skizzierten Schicksale der Schattenexistenzen spiegeln.

mehr lesen 0 Kommentare

„Scattered Lungs“: Atmen in ekstatischer Verkrampftheit

Was suchen wir in einem Partner? Jemanden, mit dem man sich austauschen kann, Worte, Gedanken, Emotionen und mehr gleichberechtigt teilt? Diese Frage soll im Mittelpunkt der Tanzperformance „Scattered Lungs“ stehen, die jetzt im Theater im Ballsaal ihre Premiere feierte. Als Solo über die Suche nach Zweisamkeit in Zeiten von Online-Datingportalen wie Tinder oder Elitepartner wird es angekündigt – doch davon ist letztlich nichts zu sehen. Keine digitale Welt, keine Projektionen begleiten die Darbietung der isländischen Tänzerin Tanja Marin Friđjónsdóttir, die nach einer langen gesprochenen Einführung eher getanztes Atmen denn atmendes Tanzen präsentiert, nervös wirkende abgehackte Bewegungen ohne erkennbaren Bezug zu Fragestellung und Thema. Alles dreht sich um die Lungen, die, so heißt es zu Beginn, für einen kontinuierlichen Austausch mit der Welt sorgen. Eine Funktion, die durch das Internet zunehmend gestört wird.

mehr lesen 0 Kommentare

Floatiz: Chillige Hip-Hop-Schelme

Was für ein ungewöhnlicher Kontrast: Rap-Einlagen statt Moritaten, dicke Beats statt Schalmeien auf Speed. Viel ist musikalisch nicht von der ehemaligenBonner  Mittelalter-Punkband Schelmish übriggeblieben, die sich 2012 nach einer überaus erfolgreichen Karriere im Brückenforum aufgelöst hat und deren Mitglieder nun zum Teil als Hip-Hop-Formation Floatiz einen Neuanfang starten. In der Harmonie gab diese nun ihr erstes eigenes abendfüllendes Konzert und zeigte sich dabei durchaus facettenreich. Frontmann Brian, ehemals Rimsbold von Tiefentann, rappte mit Verve und wahlweise auf englisch oder deutsch über Suchmaschinen, Superhelden und Flüchtlinge, textlich mit einigen netten Ideen, aber leider auch mit einigen Belanglosigkeiten (etwa bei der Zugabe „Sonntag“).

mehr lesen 0 Kommentare

Nils Wülker: Duett aus Blech und Stimme

Auf der einen Seite eine rauchig-hauchige Stimme, whiskeyschwanger und gelassen, auf der anderen eine samtig-weiche Trompete, verträumt und präsent zugleich: Es ist dieses Duett in Nils Wülkers Komposition „Season“, bei dem er und Sänger Rob Summerfield so eng harmonieren wie nie zuvor an diesem Abend in der Bonner Harmonie und damit zeigen, wie lyrisch das Spiel des 37-Jährigen in den vergangenen paar Jahren geworden ist, wie liedhaft und einfühlsam. Einfach schön. Auf dem aktuellen Album „Up“, das innerhalb weniger Monate Goldstatus erreicht hat, hat Wülker daher die logische Konsequenz aus dieser Entwicklung gezogen und für einige seiner eleganten Stücke Gastsänger eingeladen, darunter Max Mutzke, Jill Scott und Xavier Naidoo. Ihre Parts übernimmt nun eben Summerfield, der gefühlvoll den wunderbaren, schnörkellosen Melodien folgt. Und jeden einzelnen Titel zu einem Genuss macht.

mehr lesen 0 Kommentare

Stacie Collins: Nashville-Sounds nach Schema F

Auf den ersten Blick wirkt alles normal: Die Haare fliegen, die Mundharmonika jault, der „southern rockin', harp-howlin', twang-banging' rock'n'roll“ will weiterhin dem braven Country-Pop von Taylor Swift oder Carrie Underwood Paroli bieten. Doch während es Stacie Collins bei früheren Auftritten in der Harmonie dank ihres Charmes, ihrer Laszivität und ihrer guten Laune immer noch gelang, die musikalische Beliebigkeit ihrer Songs einigermaßen zu überspielen, blättert dieser Lack inzwischen sichtbar ab. Müde wirkt sie, verlebt, ihr Gesang bei aller ihr zugestandenen Energie aufgesetzt und bemüht.

mehr lesen 0 Kommentare

Uzume Taiko: Getanzte Trommelkunst

Boom! Boom! Boom! Was für ein Trommelgewitter, was für eine Wucht! Genau das also, was man von einer japanischen Taiko-Truppe erwarten würde. Doch die Formation Uzume Taiko, die jetzt im Pantheon zu Gast war, geht darüber hinaus, beschränkt sich nicht nur auf die überlieferten Traditionen, sondern beschreitet neue Wege. So setzt das in Kanada gegründete Ensemble um die künstlerische Leiterin Bonnie Soon auf choreographierte Bewegungsabläufe und eine sich beständig wechselnde Aufstellung der Instrumente, zu denen auch Flöten, Glockenspiele und zimbelartige Chappas gehören. Das Ergebnis ist eine eindrucksvolle Show mit zeremoniellen, tänzerischen und weltmusikalischen Elementen. Und natürlich großen Trommeln.

mehr lesen 0 Kommentare

„Das weiße Album“: Aufstand der Pilzköpfe

Eigentlich ist alles ein riesengroßes Missverständnis. Eine falsche Lesart. Kommt vor. Besonders bei Beatles-Songs. Schon die 68er-Bewegung hat die Texte der Pilzköpfe gerne zerredet und mit Bedeutungen bedacht, die nicht intendiert waren – da ist es doch verständlich, dass auch in der neuen Michael-Barfuß-Produktion „Das weiße Album“, das am vergangenen Samstag in der Brotfabrik seine Bonnpremiere feierte, einige skurrile Bezüge hergestellt werden. Letztlich lässt sich damit ja auch vieles rechtfertigen: Das Leben in der Kommune („Don't Pass Me By“), die gewaltsamen Studentenproteste („Helter Skelter“), die Angriffe auf Polizisten als verhasste Repräsentanten eines konservativen Systems („Piggies“). Auf dieser Basis hat Barfuß zusammen mit Studenten und Absolventen der Alanus-Hochschule für Kunst und Gesellschaft in Alfter eine augenzwinkernde Revue erarbeitet, die zwar konzeptionell und gesanglich nicht immer ganz rund wirkt, dafür aber mit starken Bildern und einer exzellenten Band aufwarten kann.

mehr lesen 0 Kommentare

Anima Eterna Brügge: Triple-Konzert im alten Klang

So spielen wie zu Haydns oder Beethovens Zeiten: Mit diesem Grundgedanken gilt Anima Eterna Brügge unter der Leitung von Jos van Immerseel seit Jahren als eines der führenden Ensembles im Bereich der „historisch informierten Aufführungspraxis“. Nun war das Orchester im Rahmen des Beethovenfests für gleich drei Konzerte nach Bonn gekommen und versuchte von Donnerstag bis Samstag, den speziellen Klang des 18. und 19. Jahrhunderts bestmöglich zu rekonstruieren.

mehr lesen 0 Kommentare